Wie kommt es, daß der
Künstler, das Genie
Oft Ekel fühlt, Qual, Überdruß
am Leben,
Der auf der Wonnen höchsten
Höhn zu schweben
Doch sonst vermag, wie ein
Gering’rer nie.
Ich deut’ es so: gewalt’ger
Phantasie
Kann Großes Inhalt nur und
Nahrung geben,
Und wo dies fehlt, dort bleibt
sie elend eben,
Leer, ungestillt, öd, nicht
sie selbst ist sie.
Den Kleinen füllt die nichtig
kleinste weile
Schon völlig aus, und nirgends
fehlts dem Laffen,
Wo dem Genie nur leere Räume
klaffen.
Dem Künstler taugt die große
nur zum Heile;
In ihrem Äther schwillt er an
zum Gotte,
Doch in der kleinen schrumpft er
ein zur Motte.
Als ich ein Kind noch war mit
runden Wangen,
Da liebt’ ich jeglich Schönes
um mich her,
Ein jedes schöne Bild ward
mein Begehr,
Ein jedes Blümchen, das ich
konnt’ erlangen.
Doch in des Knabenalters reif’rem
Prangen
Genügte Einzelschönes mir
nicht mehr,
Und ich erheckt’ ein Mädchen
rein und hehr,
Das alle Schönheit hielt’
vereint umfangen.
Dem Jüngling ist der
Künstlertraum zerscheitert,
Als Luftgebild erkannt’ ich
jene Schöne,
Mein Lieben hat zur Dichtung
sich erweitert.
Die Welt der Griechen ist mir
aufgegangen,
Und wieder liebt’ ich Blumen,
Bilder, Töne,
Jedwede Schönheit haltend
liebumfangen.
Ich weiß mir nicht erhab’neres
Entzücken,
Als wenn die Bäume rings in
blüte stehn,
Im Frühlingsgarten auf und ab
zu gehn
Und schöne Menschenkinder
anzublicken.
Unmöglich ist’s, mit Worten
auszudrücken,
was mich ergreift bei also
reinem Sehn,
Und nur der Künstler kann mich
ganz verstehn,
Der selbst empfindet solches
Weltentrücken.
In solchen Stunden hehrster
Herzenslust
Erkenn’ ich ganz dem Erdstaub
mich entronnen,
Bin ich der höhern Heimat mir
bewußt.
In Rauschmomenten solcher
Geisteswonnen
Fühl’ ich den Dichter tief in
meiner Brust,
Und hätt’ ich nie den
kleinsten Vers ersonnen.
Dem Liebe Schönheit ist und
Schönheit Liebe,
Vom Künstler nicht erwarte du
die Treue;
Ihn lockt die Liebe fort und
fort aufs neue,
Wie Schönheit sproßt aus stets
erneutem Triebe.
Gib auf die Hoffnung, daß er
dein stets bliebe,
Daß seine Lieb’ nur einzig
dich erfreue;
Denn du erkennst am Ende sonst
mit Reue,
Daß hehrste Lieb’ am
schnellsten oft zerstiebe.
Ganz anders ist die Treu’, die
er empfindet,
Sie gilt der Schönheit ew’ger
Strahlenhelle,
Wann und wo immer er sie
haftend findet.
Er liebt die Sonne bloß, des
Lichtes Quelle,
Sie selbst, ihr Lichtstrahl
ist es, was ihn bindet,
Doch nicht die wechselnd
lichtbeglänzte Stelle.
In Blumen prang’ ein lichter
Leichenwagen,
Den holde Mädchen rechts und
links begleiten,
Und schöne Knaben mögen
rückwärts schreiten,
Weinlaub im Haar und
Festgewänder tragen.
Nicht eine Lippe tu’ sich auf
zum Klagen,
Nein, Jubelhymnen sollt ihr mir
bereiten,
Und triumphierend hall’s in
alle Weiten:
Ihm galt der Tod kein letztes
Ich-Entsagen!
Das ist die Weise, die ich
ausbedungen,
Wie ihr dereinst mich sollt zu
Grabe tragen,
Wann meiner Leier Hochgesang
verklungen:
Wofern es dann der Kirche
sollt’ behagen,
Mir, weil ich Licht und Liebe
stets gesungen,
Ein christliches Begräbnis zu
versagen.
Die Dichtkunst heiß’ ich von
den Künsten allen
Die weit umfassendste und
sonder Schranken,
Denn unermeßlich ist sie,
gleich Gedanken,
Sie kann den fernsten treulich
widerhallen.
Als dauerndster auch soll ihr
Lob erschallen,
Der wir des Geistes ält’ste
Schätze danken,
Die, wenn die Sänger längst im
Staub versanken,
jahrtausendlang noch leben unzerfallen.
Allein die höchste ist die
Kunst der Töne,
Denn nie und nimmer kann die
Sprache sagen,
Was jene offenbart von ew’ger
Schöne.
In Sphären, hin mich Wagner
oft enttragen,
Trägt mich kein Shakespeare, wie ihn Ruhm auch kröne,
Ja selbst die Trias nicht aus
Hellas Tagen.
Ich sag’ es stets: Das
wunderhehrst Genießen
Erfließt mir aus der heil’gen
Macht der Töne;
Doch dann vermag der Reiz der
Menschensöhne
Das Paradies zunächst mir
aufzuschließen.
Doch was zu aller höchst mir
kann entsprießen,
Daß jed’ und alles Glück der
Welt mir’s kröne,
ist, wenn Musik und Rausch vor
Menschenschöne
Mit eins in einen Hochakkord verfließen.
Mein Blick war nie von
Schönheit so geblendet,
Mein Ohr noch nie so im Genuß
verschwendet,
Mein Wesen nie so hehr in sich
vollendet:
Als wenn ich bei dem
Engelsklang der Laute
Im Frühlingsgarten, wann der
Himmel blaute,
In ein verklärtes Menschenantlitz
schaute
ich konnt’ mich nie zu jenen
Dichtern neigen,
Die stets in Leid nur sich
ergehn und Klagen,
Die an der Welt, an Gott, an
sich verzagen
Und deren höchstes Ziel: das letzte
Schweigen.
Sie gleichen Priestern, die
auf Kanzeln steigen,
Dem Volke Gottesleugnung
vorzutragen,
Heerführern, die, statt selbst
hervorzuragen
Durch Tapferkeit, sich weich und weibisch zeigen.
Wer lehrt uns, wenn nicht
Priester, Gottvertrauen?
Wer, wenn die Führer nicht,
den Mut im Kriege?
Wer, wenn nicht Dichter,
Ideale bauen?
Und die all einzig führ’n
allhier zum Ziele!
mit Künstlerblick ins
Weltenmärchen schauen:
Das Letzt’ und Höchste
zwischen Grab und Wiege!
Was gibt den Kindern jenes
heitre Wesen,
Das „Ja!“ nur jauchzt und frei
ist von Verneinung?
Was von Genie und Einfalt
diese Einung,
Dran jede böse Regung muß
genesen?
Es ist die Neuheit jeder
Seinserscheinung,
Die Schritt für Schritt im Lebensbuch
sie sesen;
Für sie ist alles neu, ist nie
gewesen
Und regt als neu sie an – nach
ihrer Meinung.
Drum, willst du trotzen jedes
Alters Launen,
Laß jene Lehre dir zur
Richtschnur taugen,
Die unbewußt dir Kindesblicke
raunen:
Nur wer mit großen off’nen
Kindesaugen
Ins hehre Weltgedicht versteht
zu staunen,
Wird neues Glück aus jeder
Strophe saugen.
ich glaub’ nicht immer die
Unsterblichkeit,
Bin stets und bleibend nicht
von ihr durchdrungen,
Oft hab’ ich selbst das Lied
mir vorgesungen,
Das sonst mir fremde, von
Vergänglichkeit.
Doch stets in Lust,
Verzückung, Seligkeit
Hab’ ich zu ihren Höhn mich
aufgeschwungen,
In Feierstunden hielt ich
stets umschlungen
In meinem Glück ein Stück der
Ewigkeit.
Zwei Stimmen also. Welcher
schenk’ ich Glauben?
Lass’ die des hehrsten
Aufschwungs sich ersticken
In Werktags Mißgetön’, dem
kalten, tauben?
Nein! Was die Götter in
Ekstase schicken,
Kann kein Jahrzehnt in
Nüchternheit uns rauben,
Und Wahrheit spricht aus
höchsten Augenblicken.
Habt ihr in Lebens,
Menschheits Buch gelesen,
Sagt an, worin der beiden
Göttlichkeit?
Wo trefen Zeit sich und
Unendlichkeit?
Wo wunken höchste Höhn dem
Menschenwesen?
Ist es zum innern Frieden das
Genesen?
Ist’s jahrlang währende
Zufriedenheit?
Sinds Werke, überliefert
fernster Zeit?
Der Ähen Summ’, im Leben
aufgelesen?
Nein! In Ekstasen, Räuschen,
dionysisch,
Genies erfliegbar, ewig fremd
Philistern,
Seh’ ich der Menschheit Edens
Früchte reifen.
Das ist vielleicht der Pol, wo
metaphysisch
Zwei Daseinsweisen freundlich
sich verschwistern,
Geheimnishehr zwei Welten
übergreifen.
Uns fehlt nicht geist, auch
ernstes Streben nicht,
Noch Mut, noch guter Wille,
uns Modernen;
Vom Klein und Großen, Nahen
gleichwie Fernen
Lernt ja das Baby heut’,
sobald’s nur spricht.
Was andres, Größ’res ist’s,
woran’s gebricht;
Uns fehlt der große Aufblick
zu den Sternen!
Wir lernen, lernen nur, und
was wir lernen,
Zuletzt statt Flügelschlags
ist’s Bleigewicht.
Wir sind nicht wir, wir sind
nur, was wir wissen,
Nicht was wir fühlen, was wir
tiefst erleben;
Sind von uns selbst, vom Leben
losgerissen.
Uns fehlt Entrücktheit in das
Weltenweben!
Fehlt jener Stand, der all die
Weisheit missen
Und doch der Welt kann einen
Christus geben.
An Dr.
B. Fuchs
„Aus dir spricht heute noch
das große Kind;
Vom Leben lern’, ein Mann, ein
ganzer, werde!“
So riefst du mir mit
freundlicher Gebärde,
In Rat und Tat als Freund mir
wohlgesinnt.
Wohl, du hast recht! Im
Weltlauf nur gewinnt,
Wer festen Fußes stampft die
harte Erde,
Doch Kummer trifft und
Drangsal und Beschwerde
Das große Kind, das nur die
Blumen minnt.
Und dennoch fleh’ ich, in
dess’ Unterschreiben,
Mich blutig fort am rauhen
Alltag schürfend:
O laß dein Kind, Natur, mich
ewig bleiben!
Laß mich, der Männerreife nie
bedürfend,
Am Schoß dir sitzen, fern des
Tages Treiben,
Nur deine Mär’ mit trunkner Seele
schlürfend!
Nicht schelt ich mehr mein
Los, das nicht ins Leben,
Wie einst Petrarka,
Goethen
oder Dante,
Mir Laura, Gretchen, Beatrice
sandte,
Mich zu begeistern, mich zum
Ruhm zu heben.
Ich weiß: den Grund zu ew’gen
Liedern geben
Konnt’ keins der holden Trias,
die ich nannte;
Das Feuer tat’s, das in den
Dichtern brannte,
Doch jene waren – nichts als
Frauen eben.
Und Gretchen machte Goethen
nicht unsterblich,
Er sie, und Laura der Sonette
Meister;
Ein solches Los ist jeder hier
erwerblich.
Nur Meister sein! Da liegt’s
vor allen Dingen!
Du kannst, gehst selbst du
unter jene Geister,
Ein jedes Weib zur Beatrice
singen.